Search
Search Menu

Der wahre Preis der Massentierhaltung

Massentierhaltung

Wie kann ein Kilo Schweinefleisch für kaum mehr als 1,50 Euro verkauft werden? Indem zum Beispiel die Folgekosten der Massentierhaltung nicht in den Preis einfließen. Die vom Aktionsbündnis „Artgerechtes München“ bei der Universität Augsburg in Auftrag gegebene Studie „Monetarisierung externer Effekte in der Landwirtschaft“ präsentiert deutliche Ergebnisse. Hoher Antibiotikaeinsatz in der industriellen Massentierhaltung, übermäßige Nitratbelastung des Trinkwassers durch Düngemittel: Viele Praktiken der industriellen Landwirtschaft verursachen immense „verdeckte Kosten“ aufgrund ihrer negativen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt, die aber in den Preisen, die wir für unsere Lebensmittel bezahlen, nicht oder nur ungenügend abgebildet werden.

Wenn Folgekosten jedoch nicht verursachungsgerecht Eingang in den Preis eines Lebensmittels finden, wird dieses Produkt fälschlich zu einem zu niedrigen Preis angeboten und – in der Folge – in zu großer Menge verkauft. Aus ökonomischer Perspektive wird die Vernachlässigung dieser sogenannten „externen Effekte“ als Marktversagen bezeichnet, das es mittels (wirtschafts-)politischer Maßnahmen zu korrigieren gilt. Vor diesem Hintergrund stellt sich zum einen die Frage, welche externen Effekte aus der Landwirtschaft resultieren. Zum anderen ist von Interesse, ob sich unterschiedliche Lebensmittelkategorien durch besonders hohe bzw. niedrige externe Effekte voneinander unterscheiden lassen. In der Augsburger Studie wurden zwei von mindestens einem Dutzend Folgekosten-Faktoren der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft – Antibiotikaresistenzen und Nitrat-/Stickstoffbelastung – sowie ihre Auswirkung auf die Preisentwicklung von Lebensmitteln berechnet.

Multiresistente Keime
Antibiotika zählen zu den wichtigsten Medikamenten auf der Welt. Durch fehlerhaften Einsatz können sich antibiotikaresistente Krankheitserreger bilden, gegen die keine Antibiotika mehr wirken. Ursache für die Resistenzbildung ist sowohl der Einsatz in der Human- als auch in der Tiermedizin – mit dem Unterschied, dass die Verabreichung von Antibiotika in der Tierhaltung vermieden bzw. drastisch reduziert werden kann, wenn die Rahmenbedingungen der Tierhaltung verändert werden – weg von industrieller Intensivtierhaltung hin zu artgerechter Haltung: die Vorgaben der ökologischen Landwirtschaft weisen den Weg. Im Fokus der Augsburger Studie stand das antibiotikaresistente Bakterium LA-MRSA, das seinen Ursprung beim Nutztier hat. Besonders betroffen davon sind Landwirt*innen und Tierärzt*innen, denn jeder vierte Mensch, der beruflich mit Schweinen und Hühnern zu tun hat, ist LAMRSA-positiv. Das Risiko einer Erkrankung in Regionen mit hoher Viehbesatzdichte ist sogar acht Mal höher, als in Regionen mit durchschnittlicher Besatzdichte.

Nitrat-/Stickstoffbelastung
Nitrathaltige Düngemittel kosten in Deutschland mindestens 10 Milliarden Euro. Bei der Düngung landwirtschaftlich genutzter Böden entstehen häufig reaktive Stickstoffüberschüsse, die dem Ökosystem, dem Klima und der Gesundheit der Menschen schaden. Die daraus resultierenden Kosten entstehen häufig erst zeitlich versetzt. Deshalb ist es schwierig, sie den Verursachenden des Stickstoffproblems zuzuschreiben, so dass sie der Allgemeinheit auferlegt werden. Den Berechnungen der Universität Augsburg zufolge ergeben sich für Deutschland durch den Stickstoffeintrag externe Folgekosten von über 10 Milliarden Euro jährlich. Darunter fallen zum Beispiel die Kosten für die Reinigung des Trinkwassers oder Kosten des Gesundheitssystems durch Folgeerkrankungen. Auf die Lebensmittelpreise umgelegt, entspräche das einem Preisaufschlag von fast zehn Prozent für konventionell-tierische Lebensmittel; für biologisch-tierische Nahrungsmittel lägen die Mehrkosten bei nur vier Prozent.

kuehe

Tierische Verluste
Die Studie der Universität nimmt nur zwei Faktoren der möglichen Folgekosten in den Blick. Bereits die Untersuchung dieser beiden Faktoren macht die Richtung deutlich: Würden alle negativen Folgen der industriellen Landwirtschaft für Mensch, Tier und Umwelt auf den Preis unserer Lebensmittel aufgeschlagen, würde das Preispendel sehr schnell zugunsten der ökologisch erzeugten Lebensmittel ausschlagen.

Auf unserem 2000 m² Experimentierfeld kommen wir übrigens auf 9 Quadratmeter Acker pro Kilo Schweinefleisch, um Weizen, Soja, Mais und sonstige Pflanzen als Futter anzubauen, welches ein Schwein im Stall verzehrt. Bei einem Schlachtgewicht von circa 115 Kilo würden zwei Schweine unseren 2000 m² Acker praktisch ratzekahl fressen. Nach den Tierschutzbestimmungen könnten 2000 Schweine auf der Fläche unseres Ackers gehalten werden: 1 Quadratmeter steht Tieren ab einem Gewicht von 110 Kilo zu, davor sind es nur 0,75 Quadratmeter.

Die vom Aktionsbündnis „Artgerechtes München“ bei der Universität Augsburg in Auftrag gegebene Studie wird demnächst veröffentlicht. Das im Mai 2015 vom Tollwood Festival gegründete Aktionsbündnis engagiert sich dafür, dass München in seinem Wirkungskreis nur noch Produkte aus artgerechter Tierhaltung zulässt. Bereits im September 2014 ergab eine repräsentative Umfrage von TNS Emnid, dass 85 Prozent der Münchner*innen bereit wären, den Mehrpreis für für Produkte aus artgerechter Tierhaltung zu bezahlen.