Anstelle einer sterilen Berichterstattung über seinen Garten im Frühling schickte uns Daniel einen poetischen Brief unter seiner unverwechselbaren Feder. Wir veröffentlichen hier eine Übersetzung ausgewählter Ausschnitte. Den Originaltext finden Sie auf unserem Blog in Französisch.
Ein Haus ohne Garten ist ein Waisenort
Text von Daniel Testard
In diesem Frühling wehen, wie es ihnen gefällt, die Winde mal warm, mal kalt, mal trocken, mal feucht. Sie erlauben sich lustwandelnde Launen und bringen unerwartete Düfte zu Tage. Erstaunlich dieses Jahr: die Abwesenheit der Schnecken, die sonst ihre jungen und zarten Lieblinge fröhlich knabbern. Vielleicht die Konsequenz eines Winters ohne Regen, der sie bereits verdursten ließ? Oder sind es etwa meine unartigen Hühner, die munter über Zäune springen, um ausufernde Gastropoden aufzupicken?
Im Moment gilt meine ganze Aufmerksamkeit dem Keimen der kleinen Yin-Yang Bohnen. Die Samen haben eine schwarze Seite mit einem weißen Punkt und eine weiße Seite mit einem schwarzen Punkt. Auch habe ich dieses Jahr ehrwürdige alte Cherokee Bohnen gesät, in Andenken an unsere Freunde, die nordamerikanische indigene Bevölkerung. Und dann gibt es ja den „Artichou“, eine Pflanze, die ich so getauft habe, weil sie wie eine Artischocke aussieht und wie ein Kohl schmeckt. Wir kochen sie mit salziger Butter. Wir sind ja hier in der Bretagne!
Ich muss doch immer wieder feststellen, dass Gärtnerei eine Form von Gewalt gegen die Natur ist, auch wenn ich mich noch so bemühe, in Harmonie mit den natürlichen Kräften zu arbeiten. Der Gärtner zwingt ja gewissermaßen, die Natur dazu, etwas zu produzieren, was sie nicht von alleine erzeugt hätte. Als Ausgleich für diesen Gewalteinfluss lasse ich immer unberührte Flächen zwischen meinen sauber aufgereihten Kulturen entstehen. Wilde Blumen säen sich jedes Jahr von selbst neu und tanzen zwischen den Reihen meiner gezähmten Gemüsesorten. Vergissmeinnicht, Mohn, Kapuzinerkresse und Borretsch heißen Hummeln und Schmetterlinge willkommen, während die Bienen sich leider wegen unserem Wahnsinn immer rarer machen…
Radieschen und Kartoffeln sind jeden Tag – wieder mit Salzbutter! – auf unserer glücklichen Tafel. Alte Kartoffelsorten voller Falten schmecken noch zarter als die jungen Züchtungen. Ich beobachte, dass der Kartoffelkäfer komischerweise von meinen Beeten verschwunden ist. Vielleicht eine Folge meiner Entscheidung, weniger Kompost zu verwenden, um Überdüngung zu vermeiden? Auch sehe ich dieses Jahr kein Bleichen der Blätter – sie sind resistenter gegen Pilzattacken!
Der Garten ist doch wahrhaftig ein Abbild seines Gärtners. Er sagt alles über Temperament, Elan, Glück und Schmerz seines Schutzengels. Manchmal frage ich mich, ob die Grenzen, die wir unseren Pflanzen aufzwängen nicht eine Folge der täglichen Anforderungen unserer zu aktiven Lebensstile ist. Tadellos aufgereiht, sind die Kulturen nicht das Spiegelbild der exzessiven Disziplin des Meisters, der ich für sie bin? Oder, im Gegenteil ist ein verwahrloster Garten Zeichen einer fehlenden Organisation und mangelhaften Ordnung? Jeder Gärtner ist ein Künstler. Deswegen lässt sich das „Gute“ nicht vom „Schönen“ trennen. Die Inszenierung eines Gartens widerspiegelt was die Harke, der Rechen, die Gießkanne ihm gegeben haben, mal wuchtig, mal weich…
Ein Teil des Gartens ist verschleiert wie eine hübsche Braut, um ihn vor den Parasiten zu schützen. Denn so wunderbar die Schmetterlinge sind, aus ihren Eiern schlüpfen tödliche Larven für Karotten, Kohl, Zwiebeln, Rettich und Lauch. Diese Kulturen werden den ganzen Sommer unter dem Vlies verbringen, so vermeide ich Behandlungen mit bösen chemischen Pestiziden. Die Wege werden mit der Harke sauber gehalten, aber drum herum wächst das hohe Gras, nur ab und zu mit der Sense gemäht. Und falls ihr wissen wollt, welch Wunder meine Kieselsteine im Hof so blank hält, dann fragt doch den Essig! Er ist ein ungefährliches Herbizid, da er nur die Blätter jedoch nicht die Wurzeln abtötet. Ich werde also den ganzen Frühling und den ganzen Sommer unermüdlich immer wieder die Behandlung wiederholen müssen! Ach diese unzähmbare und manchmal unerträgliche Natur!
Diese Ackerfläche, diese verliebte Erde, sie ist unsere kostbare Mutter. Natürlich schenkt sie sich uns für den Erhalt unseres Körpers. Aber sie schenkt uns noch viel mehr. Sie kümmert sich um unser ganzes Wesen. Der Garten ist ein Feinkostladen und eine Duftmanufaktur. Er bereitet uns Heilmittel aus wertvollen Kräutertees und aromatischen Gewürzen. Dieser ganze Überfluss wird auch den Kompost erfreuen, der wiederum seine eigene Alchemie wirken lassen wird – zauberhaftes Geheimnis für die gute Gesundheit des Gartens und seines Gärtners.
Daniel Testard, Quily, Mai 2017
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