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Vortrag von Daniel Testard

Die Fabrik des Wandels

“für eine andere Blickrichtung”

Nantes, 24. Mai 2018

 

Daniel Testard - Vers un autre regard

 

Liebe Freundinnen und Freunde, Schwestern und Brüder einer selben Erde, einer Mutter-Erde,

früher so geehrt und heute dermaßen verachtet, verleugnet.

Ich möchte Euch von Fruchtbarkeit erzählen, und vor allem von Fruchtbarkeitsverlust…

Die Welt schreitet fort, sicher, sie läuft, ja, aber sie hält den Kopf gebeugt!

Die Welt rennt sogar, aber wo will sie hin?

Was ich Euch heute mitteilen möchte, entnehme ich der Beobachtung meines Alltags.

Behaltet ein waches und aufmerksames Bewusstsein, es wird Euch führen.

Wenn es einen Wandel geben soll, dann wird das wache Bewusstsein Euch dahinbringen.

Ich komme aus einer kleinen Ansiedlung von 300 Seelen. Ich lebe am Waldrand, in einem Haus aus Holz, umgeben von kleinen Hütten, darunter der Schafstall und der Hühnerstall.

Ich möchte Euch heute von letzterem erzählen. Jedes Jahr im Frühjahr überrascht mich eine sehr merkwürdige Sache die mich zunehmend beunruhigt: Die heutigen Hühner wissen nicht mehr, wie sie brüten sollen! Sie halten es auf den Eiern nicht aus, rennen von einem Nest zum anderen und legen sich irgendwohin, auch wenn keine Eier vorhanden sind. Sie geben auch nicht mehr die typischen Laute von sich, wie es brütende Hennen für gewöhnlich tun. In einigen Generationen (ein Jahr) ist der Mutter-Henne-Instinkt verschwunden. Wie ist das möglich?

Ich lebe wie gesagt in der Nähe eines Waldes aus dem ab und zu Füchse, Marder und anderes wildes Getier herauskommen. Meine Hühner leben frei und laufen wohin sie wollen. So gibt es nicht nur nachts sondern auch am helllichten Tag immer wieder heftiges Getöse, dem eines meiner Nutztiere zum Opfer fällt. Dann muss ich eben neue Hühner beim Züchter holen. Diese Hühner wurden in künstlichen Brutkästen aufgezogen und kannten nie ihre Mütter. So haben sie den Sinn für das Brüten verloren. Die Übertragung von der Mutter-Henne an ihre Töchter wurde von Anfang an unterbrochen und für zukünftige Generationen verloren. Dies zeigt, inwieweit die Künstlichkeit unserer modernen Gesellschaft auf lange Sicht tiefgreifende Veränderungen hervorrufen kann.

Das ist es, wovor ich Angst habe: dass wir die Erinnerung an unsere natürlichen und wilden Instinkte verlieren!

Daniels freies Geflügel

Diese Hühnergeschichte führt mich zu einer anderen…

Wenn Ihr Eier kauft, auch Bio-Eier, kommen sie von Hühnerfarmen ohne Hahn, da dieser für die Produktion von Eiern überflüssig geworden ist. Wenn diese Eier nicht befruchtet sind, sind sie steril. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht sind sie ebenso nahrhaft wie andere Eier, aber sie haben nicht dasselbe energetische Gleichgewicht. Was wir essen, ist steril. Diese Vision entstand aus meiner Intuition, so fragwürdig sie auch sein mag. Deshalb esse ich nur Eier von Hühnern, auf die der Hahn gesprungen ist. Freie Eier, von glücklichen Hühnern, für unser Wohlbefinden und das des Hühnerstalls!

Lassen Sie uns daher unsere Aufmerksamkeit auf alle unsere Lebensmittel richten, wobei die Qualität ihrer Vitalität weit vor der Quantität der Elemente, aus denen sie bestehen, zu berücksichtigen ist.

Deshalb hatte ich mir schon vor zwei Jahrzehnten die Gründung eines Vereins “Hühner ohne Grenzen” vorgestellt, den ich nie eingetragen habe. Doch 2016 wurde diese Idee von jemandem anderes übernommen, und ich gratuliere an dieser Stelle den Gründern. Und für alle, die eine Neuorientierung suchen, schlage ich als Antwort auf das Gesagte einen neuen Beruf vor, der der Sache dient: den des “Psychotherahuhns”.

  

Ich bin Bäcker. Ich kneten nachts bei Kerze und tagsüber ist die Brotkiste auf dem Kneter, wo sich jeder selbst bedient, wann immer er will, mit Brot und Wechselgeld. Wenn man bedenkt, dass der Verkauf von Brot genauso lange dauert wie seine Herstellung, macht es Sinn, die Kunden mit der Kasse alleine zu lassen, um die Arbeit zu teilen.

Deshalb backe ich nur an zwei Tagen die Woche. Und im Sommer mache ich zwei Monate Pause. Ebenso wie meine Hühner, bleibe ich frei und meine Kunden auch, da das Brot zu jeder Tageszeit verfügbar ist, egal ob der Bäcker anwesend ist oder nicht. Ich habe den Status eines Kleinunternehmers, was die Verwaltung sehr reduziert. Ohne Computer beschränkt sich meine Buchhaltung auf einen halben Tag im Jahr mit Papier und Bleistift. In dieser Hinsicht würde ein Computer pro Gemeinde oder Bezirk ausreichen. Auch ich benutze gelegentlich die Ausrüstung anderer um mich herum.

Ich backe aus alten Weizensorten, deren Vermarktung seit Jahrzehnten gesetzlich verboten ist. Und das unter anderem unter dem Vorwand, dass sie sich auf den Feldern kreuzen. Dieses Verbrechen gegen die Fruchtbarkeit hat zum Verschwinden einer ganzen biologischen Vielfalt geführt. Bis heute sind Millionen von Weizensorten, der Reichtum unseres universellen Erbes, kriminell von den Märkten ausgeschlossen und verarmen die Bauernschaft aller Kontinente. Die staatliche Gesetzgebung hat Saatgutunternehmen begünstigt, indem sie Privateigentum zulässt und den freien Austausch lokaler Sorten verurteilt. Ein autoritäres System, das den Bauern zwingt, seinen Samen jedes Jahr für viel Geld zurückzukaufen.

Wussten Sie, dass heute zwei Drittel der Insekten verschwunden sind? Dass die Hälfte der Vögel verschwunden sind? Morgen sind es die Bäume und heute schon ist es unsere Darmflora. Wie kommt das? Sicher, die Antibiotika, das Fehlen des Stillens in der vorletzten Generation und verschiedene Hypothesen, aber ich möchte zwei weitere vorschlagen:

Erstens dominiert der Kopf zu sehr den Bauch. Immer sitzend bewegen wir uns zu wenig. Wir verbringen zu viel Zeit drinnen und zu wenig draußen. Unsere Gedärme sind müde, weil sie nicht genug bewegt werden. Der Geist steht am Balkon und das Gefühl wurde verlassen. Wenn wir uns nicht um unsere Körper kümmern, werden unsere Körper sich auch nicht um unseren Geist kümmern.

Der Weizen und die Kuh waren von jeher die beiden großen Pfeiler unserer jahrtausendalten Zivilisation. Es sind Symbole von Gaia. Die Tatsache, dass gerade Mehl und Milch immer weniger vertragen werden, sollte uns warnen. Unser Darm macht sich zum Zeugen der Missstände in unserem eigenen Organismus und im Erd-Organismus.

Daniel und seine Enkelin

Und da ich auch Gärtner bin, öffne ich manchmal meinen Garten für Spaziergänger.

Ich setze im Garten meinen Kompost wie in der Bäckerei den Sauerteig an. Hier lade ich meine Besucher zur Besinnung ein. Mein Kompost wird ausschließlich aus der Gärung und Zersetzung von Pflanzen gewonnen. Das bedeutet eigentlich, dass wir uns bloß von sublimierter Erde ernähren. Ich nehme diese schöne schwarze Erde, die man “Humus” nennt, in die Hand und biete sie meinen Beobachtern an. “Nimm und koste! Das ist mein Kompost! Riech wenigstens daran, genieße diesen kostbaren frischen Duft!” Ich beobachte dann oft eine leichte Rückzugsbewegung und manchmal auch etwas Ekel. Das beweist, wie schnell wir von Mutter-Erde getrennt werden können, die uns doch selbst ernährt. Und so verlieren wir wie die Hühner unsere ersten Instinkte als Erdlinge.

 

Als Astrologe beobachte ich selbstverständlich den Himmel, nicht nur für das, was er uns sagt, sondern schon für das, was er uns zeigt. Gerade bin ich eine Zeit lang in der Stadt, und wenn ich die Augen zum Himmel erhebe, mache ich mir Sorgen, dass dort nur ein paar Sterne hängen. Sie sind doch alle da, aber man kann sie nicht mehr sehen. In städtischen Gebieten sind 90% dieser kleinen Lichter für unsere Augen verschwunden. Lichtverschmutzung hat fast die gesamte himmlische Flora zerstört. Ein ganzes Erbe hat sich aus der reichen Poesie unserer Nachtträume zurückgezogen.

 

Aber ich möchte Eure Aufmerksamkeit auf ein noch schädlicheres Kunstlicht lenken, zumal wir es ignorieren oder seine Bedeutung vernachlässigen. Denn die Gefahr ist gravierend. Es geht um das Übermaß an Licht in unseren Häusern (Lampen, Bildschirme). Diese Lichtgeräte stören die Funktion der Zirbeldrüse (Hypophyse), die ein Hormon, das Melatonin, produziert. Das Melatonin gibt den Rhythmus unseres zirkadianen – also alltäglichen – Verhaltens. Das Hormon bringt uns dazu, abends ruhig ins Bett zu gehen und morgens glücklich aufzustehen. Jetzt verraten diese häuslichen Lichter den Aufstieg des Tages und verbrennen den Fall der Nacht. Es ist ein Gift, das unseren Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht bringt. Was zu Stress oder Eile führt, oder im Gegenteil, zu Mangel an Lust. Diese beiden Enden des Tages sollten nur eines Kaminfeuers oder dem weichen Licht einer einfachen Kerze bedürfen. Diese unvergleichliche Zeit – die es im Laufe des Tages nicht mehr geben wird – könnte dann ihre ganze Größe entfalten.

 

Ja, verlangsamen wir auf so viele Weisen die Zeit. Auch auf unseren Reisen und allen Ausflügen. Ich vermeide Orte, die durch unsere Konsumgier beschädigt, zerstückelt und entstellt sind. Zu viele unangenehme Straßen und arrogante Zonen pumpen unsere Energien und verschlingen unser Gewissen in einen permanenten Stress. Wir vergessen, dass wir immer noch auf der Erde sind. Niemand wird gezwungen, Orte zu besuchen, die misshandelt, erschöpft und in ihrer Ehre gebrochen sind. Was uns bewegt ist zu oft nur eine “Seifenkiste”. Dabei wäre es so angenehm, in einer bunten Kutsche durch ausgewählte Landschaften zu gleiten, denn sie haben unsere ganze Aufmerksamkeit verdient.

 

Doch unsere Seelen, die vergessen haben, wozu sie hier sind, schaffen eine Leere, in die wahnsinnige und nutzlose Konsumgüter verschlungen werden. Dieser unzufriedenstellende Konsum nährt weitere Frustrationen und so bewegen wir uns weiter in Richtung Zerstörung. Aber im Stillen sucht unsere Gaïa unvermeidliche Antworten und schlägt dieser Menschheit, die sie zerstört, unvorhersehbare Lösungen vor.

 

Also:

Sucht Euren Zauber überall in Eurer Umgebung. Und der Blick voller Schönheit, den die Natur auf Dich trägt, den wirst Du voller Liebe auf deine Mitmenschen richten.

 

Und für den Weg, drei kleine Nachrichten, bevor ich Euch verlasse:

– Lassen wir die anderen in Ruhe, und wir werden selber die Ruhe finden.

– Konzentrieren wir uns auf unsere Reise und die anderen werden das Gleiche tun.

– Lassen wir uns von unserem Glück tränken und geben wir es als Strahlen zurück.

Und noch einen Gedanken, dessen Autor mir nicht bewusst bin: “Zu viel Tier entstellt den zivilisierten Menschen, zu viel Zivilisation erschafft kranke Tiere.”

Daniel Testard, sacrés chants