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Die Pflanze der Woche: Faserlein

Leinen – Die bessere Baumwolle?

Neuerdings wird Leinen aber immer mehr als ökologische Alternative zu Baumwolle betrachtet, weil der Anbau von Flachs weniger Wasser verbraucht. Man könnte also einfach alle Baumwolle durch Leinen ersetzen, oder nicht?

Was ist Lein?

Gemeiner Lein ist eine ca. einen Meter hoch wachsende Pflanze, die blau blüht. Obwohl nur dieseLeinenart in großem Maßstab angebaut wird, wird je nach Verwendung zwischen Faserlein (Flachs) und Öllein unterschieden. Beide nehmen nur sehr kleine Anbauflächen ein: 0,01% und 0,15%, also stehen insgesamt weniger als 4m² Lein auf unserem 2000m² Weltacker. Die dazugehörenden Flächen liegen zum größten Teil in der EU (v.a. Frankreich und Belgien), China und Russland.

Wir kultivieren Lein schon seit ca. 10 000 Jahren, für die ölhaltigen Samen und für die Fasern in den Halmen. Zusammen mit Schafwolle war Leinen die Grundlage fast aller Textilien des noch nicht globalisierten Europas. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde Leinen durch Baumwolle verdrängt und ist seitdem ein Nischenprodukt.

Leinen- die bessere Baumwolle?

Neuerdings wird Leinen aber zunehmend als umweltfreundliche Alternative zu Baumwolle betrachtet. Aber ist dem so? Und wenn ja, warum?

Im Anbau unterscheidet sich Lein und Baumwolle stark: Baumwolle benötigt eine deutlich höhere Wassermenge für ein Kilogramm Fasergut. Dafür reichen die lokalen Niederschlagsmengen oft nicht aus, sodass auf das Grundwasser zurückgegriffen werden muss. Das ist an sich weder ungewöhnlich noch schlecht. Bei besonders wasserintensiven Kulturen wie Baumwolle kommt es jedoch häufig dazu, das mehr Grundwasser entnommen wird als nachfließen kann. Der Grundwasserpegel sinkt.

Außerdem werden für den Baumwollanbau weitaus mehr Pestizide versprüht, die die Böden und das Grundwasser weiter belasten. Hier schneidet Leinen also besser ab: für ein Kilogramm Fasergut braucht Flachs nur ca. 2500l Wasser, etwa ein Viertel der Menge, die Baumwolle benötigt.

Wie wird Lein zu Leinen?

Flachs ist eine Bastfaserpflanze. Die Fasern werden also aus den Stängeln der Pflanzen gewonnen, statt aus den Samenkapseln wie bei Baumwolle. Das ist ein aufwändiger Prozess, der mit der Ernte beginnt. Damit die Faser nicht beschädigt werden, wird Faserlein nicht gemäht, sondern gerauft, d.h. ausgerissen. Das Stroh wird auf den Feldern getrocknet. Dabei dringen Mikroorganismen in die Halme ein, die bei der darauffolgenden Röste eine große Rolle spielen. 

Bild von alkemade auf Pixabay

Die Röste

Die Röste oder Rotte bereitet das Flachsstroh auf die mechanische Verarbeitung vor. Dabei werden die Pektine, die die einzelnen Fasern zusammenkleben, aufgelöst und die Rinde kann einfach entfernt werden. Es gibt verschiedene Röstmethoden:

Chemische Methoden

Bei der chemischen Röste werden Schwefelsäure oder Natriumhydroxid unter Hitze auf das Stroh angewendet. Diese Methode wird allerdings nicht industriell angewendet, da sie die Fasern sehr strapaziert. Der Einsatz synthetisierter Enzyme ist ebenfalls möglich, aber sehr kostspielig.

Die Tauröste

Die am häufigsten angewendete Röstmethode ist gleichzeitig die preiswerteste und umweltfreundlichste: bei der Tauröste wird das Flachsstroh mehrere Wochen auf dem Feld belassen, sodass sie Taufeuchtigkeit auf die Halme übergehen kann. Dadurch vermehren sich die Mikroorganismen und Pilze besser, die die Pektine auflösen.

Flachs bei der Tauröste auf dem Feld (Von Rilegator – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14690380)

Trotzdem ist die Tauröste nicht perfekt: im Vergleich zu den anderen Methoden dauert sie am längsten und ist direkt vom Wetter abhängig: Sind die Wochen der Röste zu feucht, werden die Fasern beschädigt und es kann die gesamte Ernte verloren gehen. Fällt die Taufeuchtigkeit dagegen zu gering aus, kann die Röste nicht stattfinden und die Fasern leiden ebenfalls an Qualität.

Die Warmwasserröste

Viel besser kontrollierbar ist dagegen die Warmwasserröste: Das Leinstroh wird für einige Tage in Wasserbecken gelegt, die konstant auf 28°C bis 40°C gehalten werden. Diese Methode wird z.B. in Osteuropa, Belgien, China und Ägypten eingesetzt. Leider ist die Warmwasserröste umweltbelastender als die Tauröste, da sie viel Wasser und Energie beansprucht.

Leinen vs. Baumwolle

Die Röste ist ein notwendiger Schritt in der Verarbeitung von Bastfaserpflanzen wie Flachs, aber auch Hanf, Jute oder Fasernesseln. Sie stellt in jedem Fall ein weiteres Glied in der Produktionskette dar und kann, je nach Methode, die Umwelt zusätzlich belassen. Deswegen darf man die Röste nicht außer Acht lassen, wenn man Leinen und Baumwolle nach Nachhaltigkeit vergleicht. Bei der Baumwolle ist dieser Arbeitsschritt nicht notwendig.

Nach der Röste, vor dem Spinnen

Nach der Röste kann die mechanische Gewinnung der Fasern beginnen. Zunächst muss das Stroh wieder getrocknet werden, dann wird es gebrochen. Dabei wird der verholzte Kern der Halme in kleine Stückchen zerkleinert, die man Schäben nennt. Die Schäben werden beim Schwingen vom Flachs getrennt, wobei auch kurze Fasern, das Schwungwerg, entfallen.

Die Langfasern werden dann gehechelt, quasi gekämmt. Dadurch werden die Fasern parallel ausgerichtet, längs gespalten und von weiteren Kurzfasern, dem Hechelwerg, gereinigt. Erst dann können die Fasern versponnen werden. Das Werg wird ebenfalls weiterverarbeitet. Er wird als technische Faser, Dämmstoff oder in der Herstellung gröberer Schnüre verwendet.

Bei Samenfaserpflanzen, z.B. der Baumwolle, ist die Vorbereitung auf das Spinnen weniger aufwändig. Hier müssen nur die Samenkapseln vom Stroh entfernt und dann von Verunreinigungen und den Samen gereinigt werden.

Spinnen und Weben

Leinfasern werden nass gesponnen. Die entstehenden Fäden werden entweder zu reinem Leinen oder zu Mischgeweben verwoben. Gewirkte Leinenstoffe sind eher selten, aber nicht unmöglich. Im Vergleich dazu kann Baumwolle nass oder trocken versponnen werden und wird viel häufiger für gewirkte Stoffe eingesetzt.

Das beeinflusst die Verwendung der von Leinen und Baumwolle: Gewirkte Stoffe eignen sich besser für T-Shirts, Pullover oder Jogginghosen, weil sie dehnbar sind. Gewebte Stoffe sind dagegen robuster, aber auch äußerst unflexibel. Hemden, Jeans und Bettwäsche werden deswegen bevorzugt aus gewebten Stoffen hergestellt.

Wie kommt die Farbe in den Stoff?

Sowohl Leinen als auch Baumwolle sind in ihrem Naturzustand weiß-beige, leicht gräulich oder flachsblond. Trotzdem kennen wir beide Stoffe in einem Regenbogen an Farben und Mustern:

Um ein strahlendes Weiß zu erzielen, werden Leinen und Baumwolle industriell gebleicht. Dabei werden meistens Bleichen auf Chlorbasis, z.B. Chlordioxid, verwendet. Wasserstoffperoxid und Ozon sind zwar effektive und umweltfreundlichere Alternativen, aber zu kostenintensiv für die Textilindustrie. Die Bleiche ist ebenfalls eine notwendige Vorbereitung auf das Färben. Ungebleichte gefärbte Leinenstoffe hätten weniger leuchtende und reine Farbtöne.

Es gibt zwar auch ungefärbtes Leinen, aber ist selten. Dabei stellt das Färben stellt bei Leinen ein gewisses Problem dar, da sehr aggressive Farbstoffe verwendet werden müssen, um langlebige Ergebnisse zu erzielen. Unter den Naturfarbstoffen sind einzig und allein Indigo und Küpenfarbstoffe in der Lage, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die aggressiveren synthetischen Farbstoffe, die industriell eingesetzt werden, können über die Abwässer in die Umwelt gelangen. Dort verschmutzen sie die lokalen Gewässer und richten erhebliche Schäden an.

Was kann Leinen?

Jede Faser, von Wolle zu Polyester, hat unterschiedliche Eigenschaften, Vor- und Nachteile. Sogar zwischen Pflanzenfasern können riesige Unterschiede bestehen:

Leinfasern sind im Vergleich zu Baumwolle relativ lang. Dadurch flust Leinen nicht, ist glatt und glänzt leicht, während Baumwolle eher flauschig ist. Weil sich Leinen kühl anfühlt und Feuchtigkeit schnell an die Luft abgibt, ist er vor allem bei Sommerkleidung beliebt.

Leinen ist außerdem sehr reißfest, dafür aber auch undehnbar.

Leinen muss auch anders gepflegt werden als Baumwolle. Es ist wenig Scheuerfest und darf deswegen nicht in den Trockner. Außerdem knittert Leinen schnell, weswegen es häufig gebügelt werden muss. Auch dieser Energieverbrauch nach der Herstellung muss beachtet werden, um ein Material in seiner Nachhaltigkeit zu bewerten.

Was ist nun also nachhaltiger?

Es ist nicht möglich, alle Baumwollprodukte durch Leinen zu ersetzen. Flachs braucht zwar weniger Wasser und Pestizide, ist dafür aber in der Verarbeitung und Pflege aufwändiger. Außerdem unterscheiden sich beide Stoffe in ihren Eigenschaften so stark, dass sie nicht gleich verwendet werden können. Die speziellen Eigenschaften zeigen auch, welche Produkte aus Leinen hergestellt werden könnten, um weniger Baumwolle anbauen zu müssen, z.B. Sommerkleidung oder Geschirrhandtücher.

Leinen kann also nicht als echte Alternative zu Baumwolle verstanden werden. Es erhöht aber die Auswahl und Vielseitigkeit innerhalb der pflanzlichen Faserstoffe.

Was bedeutet das für den Konsumenten?

Jede Neuproduktion von Textilien kostet Energie, verbraucht Wasser und verursacht teils giftige Abfälle und –wasser.  Wir sollten also alle möglichst vermeiden, häufig neue Kleidung zu kaufen. Second-Hand-Kleidung verbraucht keine zusätzliche Energie oder mehr Wasser und ist deswegen eine gute Alternative.

Es gibt unzählige Gütesiegel. (https://www.resorti.de/blog/umweltsiegel/)

Bei neuen Kleidungsstücken lohnt es sich, nach Qualität und Gütesiegeln Ausschau zu halten, z.B. OEKO Tex oder GOTS. Wenn man bei Leinen die Warmwasserröste nicht unterstützen möchte, gibt es leider kein weit verbreitetes Siegel, nach dem man sich richten könnte. Stattdessen kann man aber das Herkunftsland mit einbeziehen. Z.B. in China, Belgien oder Osteuropa ist die Warmwasserröste das vorherrschende Verfahren. Ist das Produkt nicht anderweitig gekennzeichnet, kann das Herkunftsland ein Indiz für die Herstellungsbedingungen sein und sollte deswegen immer mit betrachtet werden.

Im Zweifelsfall ist es aber immer am umweltfreundlichsten, nicht zu konsumieren.

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