Linsen, Lens culinaris

Fläche global: 5,5 Millionen Hektar
Fläche auf dem Weltacker: 6,9 m² (0,35%)
Herkunftsregion: südliches Mittelasien / Mittelmeerraum
Hauptanbaugebiete: Indien, Pakistan, China
Verwendung / Hauptnutzen: Lebensmittel, Viehfutter, Gründüngung
Die Linse ist eine Hülsenfrucht, die auf allen Kontinenten wächst. Sie ist anspruchslos und mag auch trockenes Klima. Die Linse ist eine erschwingliche Proteinquelle und trägt zur Verbesserung der Bodengesundheit bei. In Indien werden weltweit am meisten Linsen gegessen, „Dal“ gehört dort zu den Grundnahrungsmitteln. Heute dominieren neben Indien Kanada und Australien den Linsenmarkt. Die Menge an jährlich produzierten Linsen hat sich seit Beginn des Jahrtausends weltweit verdoppelt und auch die Anbauflächen hat markant zugenommen. Im Hinblick auf die gesunde Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung bieten Linsen viele interessante Perspektiven.
Aus Wildlinse wurde Ackerkultur: Die Geschichte der Linse
Zusammen mit Emmer, Einkorn und Gerste gehören Linsen zu den «Ur-Ackerpflanzen», die im Fruchtbaren Halbmond (heute Osttürkei, Nordirak und Syrien) auf den allerersten Äckern der Menschheitsgeschichte angebaut wurden. Ken Albala stellt sich die Domestizierung der Linsen im Buch «Bean, a History» (2007) so vor: Gesammelte Wildlinsen wurden von Nomadenvölkern bei ihren provisorischen Plätzen liegengelassen. Als sie später wiederkamen, fanden sie erntereife Linsenpflanzen vor. Dieser Vorgang müssen sie extra wiederholt haben, so dass die Samen mit der Zeit größer und die Pflanzen robuster werden konnten. Irgendwann öffneten sich die kultivierten Linsen nicht mehr von selbst, wie ihre wilden Vorfahren, und so wurde die Ernte leichter. Da Linsen Selbstbestäuber sind, führte diese erste Form von Pflanzenzüchtung zu stabilen Resultaten. Ähnliches geschah wohl mit Emmer, Einkorn und Gerste. Genau weiß es niemand, aber irgendwann begannen die einstigen Nomadenvölker des Fruchtbaren Halbmondes, sesshaft zu werden und vom Ackerbau zu leben. Die anspruchslosen Linsen, die auch auf kargen trockenen Böden wachsen können, waren dazu sicher ideal. So oder ähnlich entwickelte sich aus der wildwachsenden «Lens orientalis» unsere heutige Speiselinse «Lens culinaris». Weil Linsen im Gebiet des Fruchtbaren Halbmondes als Winterfrucht wachsen konnten, lieferten sie bereits im Frühling Nahrung, wenn sonst noch wenig erntereif war.
Die ältesten Zeugnisse der Linse sind circa 10 000 Jahre alt. In der Höhle von Franchthi in Griechenland wurden Überreste von Linsen gefunden, die aus einer Zeit von vor circa 9000 Jahren stammen. Auch in der archäologischen Stätte von Tell Mureybit in Syrien und bei den Ausgrabungen um die Pfahlbauersiedlungen am Neuenburgersee (Schweiz) wurden Zeugnisse von Linsen entdeckt. Im Alten Ägypten dienten Linsen als Grabbeigabe und in der Bibel verkauft Esau seinem Bruder Isaak sein Erstgeburtsrecht für eine Linsensuppe, als er erschöpft von der Jagd nach Hause kommt. Mit «Linsengericht» wird deshalb im übertragenen Sinn manchmal auch eine für den Moment verlockende Gabe bezeichnet, die aber in Wahrheit einen viel geringeren Wert hat als das zum Tausch stehende Gut.
Genügsam und nahrhaft – wie die Linse wächst
Linsen wachsen heute auf allen Kontinenten. Die Linsenpflanze ist einjährig und krautig und gehört wie auch Bohnen und Erbsen zur Familie der Hülsenfrüchtler genauer zu den Schmetterlingsblütlern. Der dünne Stängel der Linse ist stark verzweigt und hat filigrane wechselständig paarig gefiederte Blätter. Vier bis zwölf Fiederpaare bilden zusammen ein Blatt, am Ende wächst eine kleine Ranke. Die zierliche Pflanze kann bis zu einem halben Meter hoch werden. In der Blütezeit öffnen sich die weißen oder blaue Schmetterlingsblüten der Linse, die nur etwa einen halben Zentimeter groß sind. Daraus entwickeln sich später die Hülsen. Ausgereift sind sie circa zwei Zentimeter lang und beinhalten ein bis drei flache runde Samen – die Linsen. Diese können eine gelbe, orange oder hell bis dunkelgrüne Farbe haben.
Oft brauchen Linsen Rankhilfen, damit sie gut wachsen können. Verbreitet ist zum Beispiel eine Mischkultur der Linse mit Gerste oder Hafer. Die Linsen und das Getreide werden dann auch gemeinsam maschinell geerntet und die Trennung erfolgt erst in der Auslesemaschine. Deshalb sind in Linsenpackungen manchmal auch einzelne Getreidekörner. Dies macht den Verzehr von Linsen für Personen mit Zöliakie problematisch, auch wenn Linsen von Natur aus glutenfrei sind. Eine andere Form von Rankhilfe ist, die Linsen in abgeernteten Getreide- oder Rapsfeldern zu säen, wo sie an den Stoppeln der Vorkultur emporwachsen können.
Linsen können gut mit Trockenheit klarkommen und mögen auch kargen, wasserdurchlässigen Boden. Sie wachsen auf einer Vielzahl von Böden mit unterschiedlichen PH-Werten und Schweregraden. Weil Linsen vom Wuchs her sehr zarte Pflanzen sind, ist es wichtig, sie zu Beginn der Wachstumszeit gut von Beikräutern freizuhalten, damit sie nicht überwuchert werden. Im Anbau brauchen Linsen keinen Dünger, denn wie andere Hülsenfrüchte können sie selbst besonders gut Stickstoff aus der Luft binden. Allerdings macht sie kleinere Mengen an Stickstoff für die Pflanzen verfügbar, als das bei anderen Hülsenfrüchten der Fall ist.
Gesund und schlank? Die Linse hilft!
Getrocknete Linsensamen haben einen Proteinanteil von 25 – 30 Prozent und sind damit proteinreicher als andere Hülsenfrüchte. Bohnen und Erbsen kommen zum Beispiel nur auf Werte zwischen 20 und 25 Prozent. Wer seinen Körper besonders gut mit Proteinen versorgen möchte, sollte die Linsen (oder andere Hülsenfrüchte) mit einer Getreidesorte oder gekochtem Reis essen. Allein enthalten diese beiden Lebensmittelgruppen nicht alle wichtigen Aminosäuren, in Kombination gleichen sie sich aber optimal aus, sodass der Körper auch mit pflanzlicher Ernährung zu allen lebensnotwendigen Aminosäuren kommt.
Weil die Linsen kleiner sind als andere Hülsenfrüchte, müssen sie vor dem Kochen nicht eingeweicht werden und sind schneller gar als etwa Bohnen oder Kichererbsen. Roh enthalten Linsen giftige Stoffe wie Lektine, die aber beim Kochen unschädlich gemacht werden. Linsen sind leichter verdaulich als andere Hülsenfrüchte, gut sättigend und fettarm. Sie sind eine gute Quelle für Vitamin A und enthalten auch B-Vitamine. Linsen haben zudem einen hohen Gehalt an Zink, ein Mineralstoff mit einer zentralen Rolle im Stoffwechsel, und sind reich an Kalium, Magnesium, Eisen und Kalzium. Für eine gute Eisenaufnahme ist es wichtig, die Linsen mit einem Vitamin C-haltigen Lebensmittel wie etwa einem Glas Orangensaft zu ergänzen.
Wohl gerade, weil sie leicht verdaulich und proteinreich sind, sind Linsen in vielen Kulturen fester Bestandteil von traditionellen Fastengerichten. Zum Iftar, dem Fastenbrechen im Ramadan, wird oft Linsensuppe gereicht. Auch das äthiopisch Fastengericht Misir Wot besteht aus roten Linsen. In Indien sind Linsen ebenfalls festes Grundnahrungsmittel. Dal-Gerichte in verschiedenen Zubereitungen und Würzungen gehören hier bei vielen fast täglich auf den Teller.
In Italien werden in der Silvesternacht traditionell Linsen verspeist. Die kleinen runden Samen symbolisieren Geldstücke und versprechen Reichtum für das neue Jahr.
Es gibt unzählige verschiedene Linsensorten. Im Handel werden Linsen zumeist nach Farbe und Größe, gespalten oder im Ganzen angeboten. Linsen können in einer trockenen Umgebung problemlos lange gelagert werden. Wenn es mal schnell gehen muss, gibt es im Supermarkt oft auch Linsen aus der Konserve. In kleinerem Umfang werden auch Linsen-Keimlinge gegessen.
Teller oder Exportgut? Die Linse in Indien, Kanada und Australien
Die drei weltweit wichtigsten Linsenproduzenten sind derzeit Indien, Kanada und Australien. Diese drei Länder stehen aktuell auf dem Podest sowohl bezüglich der Anbaufläche wie auch der Produktionsmenge. Es gibt allerdings markante Unterschiede zwischen den Ländern.
Indien
In Indien gehören Dals fest zum Speiseplan und die kleine runde Hülsenfrucht hat einen wichtigen Platz in Tradition und Esskultur des Landes. Indien ist mit Abstand der größte Linsenkonsument auf der Welt und importiert neben der eigenen Linsenproduktion auch am meisten Linsen weltweit, hauptsächlich aus Kanada. Für die ärmeren Bevölkerungsschichten sind Linsen eine der wichtigsten Proteinquellen und auf den Märkten gibt es unzählige Linsensorten. Linsen werden vor allem in den Regionen Bihar, Madhya Pradesh, Rajasthan, Uttar Pradesh und West Bengal angebaut. Vielfach sind es Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die Linsen zur Selbstversorgung und für lokale Märkte kultivieren. Linsen sind in Indien, wie in vielen tropischen und subtropischen Regionen der Welt, eine wichtige Winterkultur und liefern im Frühling Nahrung. Sie werden oft nach Reis, Mais, Millet- oder Sorghum-Hirse zur Bodenregeneration angebaut. Es sind Flächen mit einer hohen Sortenvielfalt und tiefem Ertrag. Zum Vergleich: Während in Kanada 2018 im Schnitt 1425 kg Linsen pro Hektar geerntet wurden, waren es in Indien nur rund die Hälfte davon, nämlich 744 kg. Dies, obwohl sich der Ertrag pro Fläche in den letzten Jahren an vielen Orten in Indien dank angepassten Sorten und verbesserten Anbautechniken etwas erhöhen konnte. Doch noch immer haben nicht alle Regionen Zugang zu guten Samen, Wissen und Technik. Der Schlauchpilzbefall (Fusarium) und andere Krankheiten verursachten in den letzten Jahren ebenfalls Ernteausfälle und machen den indischen Bäuer*innen zu schaffen.
Kanada
Ganz anders sieht der Linsenanbau in Kanada aus. Hier werden Linsen erst seit den späten 1960er Jahre kultiviert. Findige Agronomen erkannten damals das Potential von Hülsenfrüchten für die trockenen und flachen Präriegebiete im Süden der Provinzen Saskatchewan und Alberta. Allen voran der Agronom und Pflanzenzüchter Dr. Al Slinkard, der Ende Siebzigerjahre die große grüne Laird-Linse auf den Markt brachte. Schon zehn Jahre später war sie die meistproduzierte Linse der Welt und ebnete der kanadischen Hülsenfrüchte-Industrie den Weg zum Durchbruch. Noch heute produziert Kanada 15–20 Prozent Laird-Linsen. Daneben kamen in den letzten Jahren auch neue, an die kanadischen Standorte angepasste rote Linsen auf den Markt. Diese sind etwa halb so groß wie die Laird-Linsen, hauptsächlich für den Export bestimmt und machen heute 80-85 Prozent der kanadischen Linsenproduktion aus.
Dieses schnelle Wachstum des Linsenanbaus hat Kanada in den letzten zwanzig Jahren zu dem Land gemacht, welches weltweit am meisten Linsen produziert. Für Farmer*innen ist die runde Hülsenfrucht eine Möglichkeit, die Fruchtfolge, um eine Ackerkultur zu erweitern, die auch in trockenen Jahren zuverlässige Erträge liefert. Da die Linse selber sehr gut Stickstoff binden kann, sparen die Produzent*innen viel Geld, das sie nicht für Kunstdünger ausgeben müssen. Auch die nächste Kultur in der Fruchtfolge braucht weniger Dünger, weil der Boden durch die Linsen noch mit Stickstoff angereichert ist, was sich zusätzlich wirtschaftlich rechnet. Derzeit sind es rund 5000 Betriebe, die in Kanadas weiten Landschaften Linsen produzieren.
Um Bodenkrankheiten vorzubeugen, werden Linsen nur alle vier bis acht Jahre auf dem gleichen Acker angebaut. Die Aussaat der Linsen erfolgt in lockeren Reihen mit Zwischenräumen. So kann die Luft später besser zwischen den Pflanzen zirkulieren, was es Pilzkrankheiten schwieriger macht, sich auszubreiten. Für die Ernte müssen die großen Mähdrescher mit ihren langen Mähbalken tief am Boden arbeiten, denn Linsen werden nur ungefähr kniehoch. Je ebener der Boden, desto einfacher ist die Ernte und desto weniger Ernteverluste gibt es. Deshalb werden in Saskatchewan die Böden oft vor der Linsenkultur extra ausgeebnet.
Australien
In Australien ist der Linsenanbau noch jünger als in Kanada: Er hat sich erst in den letzten Jahren so richtig durchgesetzt. Auch hier sind es flächenmäßig große Betriebe, die in Hülsenfrüchten einen wertvollen Beitrag zur Fruchtfolge erkannt haben. Sie befinden sich hauptsächlich in den trockenen Gebieten von Süd-Australien und Victoria, doch auch in anderen Regionen des Landes nimmt der Linsenanbau zu. So wie der Wert der gesamten landwirtschaftlichen Produktion in Australien in den letzten Jahren zwanzig Jahren kontinuierlich angestiegen ist, ist es auch die Anbaufläche von Linsen. In den letzten Jahren ist der Zuwachs sogar noch markanter angestiegen und 2023 konnte Australien, auch als Folge eines schwierigen Erntejahres in Kanada, erstmals den ersten Platz als mengenmäßig größter Linsenproduzent der Welt einnehmen.
Quellen
Kaale, L. D., Siddiq, M., & Hooper, S. (2023). Lentil (Lens culinaris Medik) as nutrient-rich and versatile food legume: A review. Link.
Linsenküche: Linsen in Geschichte und Kultur. Link.
Utopia.de: Das macht Linsen so gesund: Mineralstoffe, Vitamine und Nährwerte. Link.
Malik et al. (2022): Global status of lentil production with special reference to India. Link.
Sah et al. (2024): Dynamics of lentil (Lens culinaris) production and trade: Global scenario and Indian interdependence. Link.
Canadian Foods: How Did Canada Become A World Leader In Lentils? Link.
Pulse Australia. Lentil. Link.