Die Zukunft der Landwirtschaft kommt aus Indien

Im Februar besuchte ein kleine Delegation der Weltacker-Bewegung die Andhra Pradesh Community Managed Natural Farming (APCNF) Bewegung, in dem gleichnamigen südwestlich gelegenen indische Bundesstaat. Nach einem Besuch 2017 und einem Vortrag bei der Konferenz der Zukunftsstiftung Landwirtschaft „Die Farbe der Forschung“ 2024 war es für Benny Haerlin die dritte Begegnung mit den Bäuerinnen und Bauern und ihrem „speziellen Berater“, wie Vijai Kumar Thallam sich bescheiden nennt. Hier sein Reisebericht:

Sowjanya Soujanaya und ihr Ehemann stehen in ihrem Garten. Sowjanya hält eine Landkarte in ihrer Hand.

Wenn Sowjanya Soujanaya in Edulamaddali morgens in ihren ATM Garten geht, findet sie nicht nur genug Kräuter, Gewürze und Knollen, um ein gesundes Mittagessen für die fünfköpfige Familie zu kochen, sondern auch immer noch etwas, was sie auf dem Markt verkaufen kann – ATM steht für „Any Time Money“ und ist ein Mischanbau von mehr als 20 verschiedenen Gemüsesorten, Beeren, Wurzelfrüchten und Kräutern auf den rund 800 Quadratmetern vor ihrem Haus. Die Grundidee des Anbauplans: hier kann 365 Tage im Jahr etwas geerntet und verkauft werden.

Sie braucht keine Pestizide und keinen subventionierten Dünger, „alles natürlich!“ lacht Sowjanya und man versteht sofort, wie die junge Frau im bunten Sari es zu 2300 Followern auf ihrem YouTube-Kanal #Dsthoughts gebracht hat: Das Leben kann so einfach sein, trotz aller Widrigkeiten und Gefahren. Die Schlüssel zum Erfolg sind ein paar klare Regeln beim Einsatz der Vielfalt, ständig neues Ausprobieren und akkurate Dokumentation der Ergebnisse.Ein säuberlich geschriebenes Notizbuch mit allen wichtigen Daten zu Saat, Wetter und vielem mehr der Pflanzen ist auf dem Foto zu sehen.

In einem dicken Buch trägt die Vorzeigebäuerin, die schon einige Nachbarinnen angelernt hat, minutiös alles ein, was in dem ATM Garden geschieht: Aussaat, Mulchen, Umsetzen, Schädlinge, Nützlinge, ausgebrachte Präparate und natürlich die Ernte, ihr Gewicht, die Qualität und der Erlös, den sie erzielt hat. Wesentliche Daten sendet sie per Handy an die Zentrale in Guntur, dem Hauptsitz und Datenzentrum der APCNF Bewegung.

Eine dritte Pflanzsaison

Im letzten September waren die umliegenden Felder wochenlang überflutet. Sowjanya zeigt uns auf dem Handy Bilder von ihrem Mann, der auf dem Reisfeld vor ihrem Haus hüfthoch im Wasser steht. Aber dann, sie hätten es selbst nicht für möglich gehalten, erhob sich der Reis wieder und brachte, anders als beim Nachbarn, doch noch eine akzeptable Ernte. „Climate resilience“ hat sie auf das Plakat aus Packpapier geschrieben, das die Nachbarin jetzt hochhält, während Sowjanya referiert, wie dank Natural Farming die Wurzelballen breiter und tiefer gründen und die Bodenfruchtbarkeit durch PMDS schon im ersten Jahr erheblich gesteigert wurde.

Zwei Männer halten ein Tuch in der Luft, ein weiterer gibt Erde hinzu. Eine Frau sprüht Wasser auf das Saatgut auf dem Tuch.
Pelletierung von Saatgut (©RySS – APCNF)
die pelletierten Samen liegen auf einem Tuch - zentimetergroße grau-schwarze Kugeln.
Umhülltes Saatgut (©RySS – APCNF)

PMDS steht für Pre Monsoon Dry Sowing: Lange vor der Regenzeit im Juni wird in die knochentrockene Erde, die auf benachbarten Feldern nackt, hart und staubig der erbarmungslosen Sonne ausgesetzt ist, eine Mischung von 32 verschiedenen Samen gepflanzt. Sie keimen auch ohne Regen, weil sie zuvor sorgfältig in mehreren Schichten mit einer Mischung aus Dung- und Nährpräparaten, Wasser, Tonstaub und Asche umhüllt wurden. Diese Pelletierung macht es möglich, dass schon im April „die Wüste ergrünt“. So entsteht zwischen den beiden traditionellen Pflanzzeiten (Kharif im Sommer und Rabi im Winter) eine dritte.

Die PMDS Mischung

Mais, Kolbenhirse, Senf, Castor, Gelbe Linsen, Grüne Linsen, Rote Linsen, Koriander, Chili, Hanf, Pillipesara, Sonnenblume, Tomate, Bhendi, Aubergine, Amaranth, Roter Sauerampfer, Stangenbohnen, Methi, Spinat, Ringelblume, Senf, Schwarze Linse, Kuhbohne, Bajra, Ragi, Sesam, Roßgras, Sorghum, Ackerbohnen, Schafgarbe, Sesbania

Die Pflanzenmischung auf den Feldern „erntet“ dabei das fehlende Wasser aus dem Tau am Morgen und Wasserdampf in der Luft; je größer die Biomasse, desto effektiver. Und je poröser und durchwurzelter der Boden auch in tieferen Schichten ist, desto mehr Feuchtigkeit speichert er in seinen Zwischenräumen. Sie entstehen durch die Vielfalt der Wurzeln und ihrer Mikroorganismen und bleiben durch minimale Bodenbearbeitung über die Jahre erhalten.

Diese organische Lockerung, das Gegenteil der üblichen Bodenverdichtung, verbessert den Wasserhaushalt und die Belebung des Bodens, indem sie ideale Lebensbedingungen für das Mikrobiom der Erde schafft. Sie ist eines der zentralen Prinzipien des Natural Farming Programms, das sich im Laufe der vergangenen 10 Jahre ausgesprochen dynamisch entwickelt hat.

Das Mikrobiom füttern und pflegen

Natural Farming unterscheidet sich von Chemical Farming (das in Indien niemand „konventionelle Landwirtschaft“ nennt) neben dem vielfältigen Mischanbau auf den ersten Blick besonders durch den Einsatz einer Reihe von Biostimulanzien, vor allem von Jeevarutham, einer Rezeptur aus fermentiertem Kuh-Urin und Dung, Rohrzucker, Mehl von Hülsenfrüchten, Wasser und fruchtbarer Erde. Dieses dient nicht etwa der Zufuhr von Nährstoffen für die Pflanzen, sondern fördert einerseits die Keimung, andererseits den Aufbau eines vielfältigen Mikrobiomes aus Bakterien und Pilzen, mit deren Hilfe die Pflanzen die nötigen Mikronährstoffe aus dem Boden gewinnen.

Die grundlegende Überlegung dahinter ist, dass Pflanzen etwa 40 Prozent der Zuckergewinnung aus ihrer Photosynthese in die oberirdische Biomasse stecken und 30 Prozent in die Wurzeln. Mit den restlichen 30 Prozent versorgen sie Pilze und Mikroorganismen im Boden, die sich dafür mit anderen Nährstoffen revanchieren.

Erstens, die richtige Mischung und Abfolge der Pflanzen mit ihrer jeweils speziellen Komposition von Wurzeln, Blattwerk und Ausschüttungen, zweitens, die Maximierung der erzeugten und verstoffwechselten Biomasse und drittens, der Aufbau eines stabilen, vielfältigen Mikrobioms, so die Natural Farming Theorie, reichen zumindest unter den dortigen subtropischen Anbaubedingungen aus, um alle erforderlichen Nährstoffe bereitzustellen und zu mobilisieren, derer die angebauten Nutzpflanzen bedürfen. Selbst die Biostimulanzien seien auf die Dauer weitgehend entbehrlich, wenn erst einmal das richtige, lokal angepasste Mikrobiom aufgebaut und stabilisiert sein.

„Es bedarf nicht eines Gramms an externen Nährstoffen, ob synthetisch oder organisch“ lautet die radikale These, an deren Beweis mittlerweile über eine Million Bäuerinnen und Bauern in Andhra Pradesh erfolgreich arbeiten. In Kombination mit den in und auf der Erde verbleibenden Pflanzenresten, so eine weitere These, bedürfe es auch keineswegs der sprichwörtlichen Jahrhunderte, um fruchtbaren Mutterboden aufzubauen und wiederherzustellen. Einige Jahre reichten zur Regeneration aus, wenn genügend Biomasse mit der richtigen Konsistenz und biologischen Dynamik kontinuierlich in den Boden eingearbeitet werde. Entscheidend sei auch hier die richtige Vielfalt an Pflanzen und Mikroorganismen.

Die neun Prinzipien des Natural Farmings

1. Der Boden muss 365 Tage im Jahr mit Nutzpflanzen bedeckt sein (Prinzip der lebendigen Wurzeln)
2. Große Vielfalt der Nutzpflanzen, 15–20 Arten, darunter auch Bäume
3. Boden mit Pflanzenresten bedeckt halten, wann immer keine lebenden Pflanzen darauf wachsen
4. Minimale Störung des Bodens – geringstmögliche Bodenbearbeitung
5. Eigenes Saatgut der Bäuerinnen und Bauern verwenden. Einheimisches Saatgut bevorzugen
6. Tiere in die Landwirtschaft integrieren
7. Biostimulanzien als Katalysatoren zur Aktivierung der Bodenbiologie
8. Pflanzenschutz durch bessere landwirtschaftliche Praktiken und botanische Pestizide
9. Keine synthetischen Düngemittel, Pestizide, Herbizide und Unkrautvernichtungsmittel

Auf der Erde ist ein Kreis aus Blumenketten aufgelegt, aufgeteilt in 9 Abschnitte. In jedem Abschnitt steckt ein Schild mit einem Prinzip und es sind Symbole für dieses aufgebaut - zum Beispiel eine eingepackte Hacke für das Prinzip "minimale Bodenbearbeitung"
Die neun Prinzipien des Natural Farmings blumig präsentiert (©RySS – APCNF)

Bäuerliche Innovation: die treibende Kraft

All diese landwirtschaftlichen Paradigmenwechsel, darauf legen die Vertreter des APCNF größten Wert, gründen zwar in traditionellem und indigenem Wissen der Region, seien aber in ihrer jetzigen Form moderne, wissenschaftsbasierte Spitzentechnologie, inspiriert von einer Reihe führender Bodenmikrobiologinnen und -biologen, die größtenteils in den USA und Australien forschen. In die Praxis umgesetzt und aus der Praxis weiter entwickelt werden diese neuen Technologien in erster Linie von „farmer scientists“, bäuerlichen Wissenschaftler*innen vor Ort.

Zwei Männer drücken mithilfe einer Zange die Flüssigkeit aus Blättern und geben sie auf das BRIX-Messgerät.
Bestimmung des Zuckergehalts (©RySS – APCNF)
Eine Drohne fliegt über dem Reisfeld und sprüht Biostimulantien.
Organische Pestizide mit Drohne (©RySS – APCNF)

Durch Beobachtung und Experimente, sorgfältige Dokumentation, Austausch und Wiederholung an verschiedenen Orten, entwickeln sie neue Modelle für die unterschiedlichen Nutzpflanzen und Anbausysteme. Es geht um neue Kombinationen und in aller Regel um noch mehr Vielfalt auf den Äckern, um die Integration von Palmen, Kakao- und Obstbäumen; aber auch um den Einsatz von Drohnen zur Ausbringung der Biostimulanzien auf Reisfeldern, neue Pump- und Bewässerungssysteme oder Qualitätsbestimmung durch die Messung des in den Pflanzen gelösten Zuckers. Einmal ausgereift, werden sie dann als „A-Klasse Modell“ massenhaft und schnell weiterverbreitet. Im Falle des Pre Monsoon Dry Sowings stieg nach den ersten 11 Pilotfeldern 2018 die Zahl der beteiligten Höfe von 21.000 im Jahr 2019 auf 863.000 im Jahr 2023, die Fläche von 15.000 auf 385.000 Hektar.

Seit 2023 bietet RySS über die Indo-German Global Academy for Agroecology Research and Learning (IGGAARL) mit einem Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW,einen vierjährigen Bachelorstudiengang für Bäuerinnen an, bei dem 500 Studierende vornehmlich von 180 bäuerlichen Mentoren ausgebildet werden. 75 Prozent ihres Studiums spielen sich auf dem eigenen Feld ab, unterstützt durch online Begleitung. Auch die Abschlussarbeit ist das eigene Feld und ein Vortrag darüber vor den Nachbarn.

Der Guru und der Bürokrat

Am Anfang standen ein Guru und ein Bürokrat. Der Guru, Subhash Palekar, hatte aus dem Studium traditioneller landwirtschaftlicher Praktiken in Indien ein Anbausystem entwickelt, das er „Zero Budget Natural Farming“ nannte, weil es Bäuerinnen und Bauern ein sicheres Einkommen ohne externe Kosten garantiert. Die Verschuldung zu Wucherzinsen für den Erwerb von Chemie und Saatgut ist eine Geisel der ländlichen Entwicklung in ganz Indien. Sie blutet über die Hälfte der 120 Millionen bäuerlichen Haushalte des Landes aus, und ist der Grund für jährlich Tausende Selbstmorde von Landwirten, die ihr Land an den Kredithai verlieren.

Seine neuen Methoden des Umgangs mit Mutter Erde predigte Palekar zunächst auf mehrtägigen Versammlungen tausender Bauern mit spiritueller Eindringlichkeit und grossem Charisma. Doch nach derartigen Erweckungserlebnissen überließ er die neu gewonnenen Jünger ihrem Schicksal und zog weiter.

Vijay Kumar Thallam hatte sich vor zehn Jahren gerade als Staatsdiener pensionieren lassen. Seit den 1980er Jahren hatte er zunächst in Andhra Pradesh und dann bei der Zentralregierung in Delhi eine wichtige Rolle bei der Unterstützung dörflicher Frauen-Selbsthilfegruppen gespielt. Palekars Anbaukonzept überzeugte ihn. Den Aufbau dynamischer Strukturen zu dessen Verbreitung hielt er dagegen für entwicklungsfähig. Mit einigen Gleichgesinnten gründete das gemeinnützige Unternehmen RySS, Rythu Sadhikara Samstha, was übersetzt etwa Bauern-Empowerment-Organisation heißt.

Kumar begrüßt uns im Hauptquartier von RySS in einem schmucklosen Waschbeton-Gebäude am staubigen Rand von Guntur, eines der Verwaltungszentren des Bundesstaates, in dem in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die „grüne Revolution“ mit Hochleistungssorten, massiver Bewässerung und ansteigenden Mengen von Kunstdünger und Pestiziden ihren indischen Anfang nahm. Jetzt, so hofft er, könnte von hier eine neue, tatsächlich grüne Agrarrevolution ihren Ausgang nehmen.

Von Boden- und Dorfstrukturen

Unabhängig von staatlichen Institutionen, wenn auch finanziell und organisatorisch massiv unterstützt vom Bundesstaat Andhra Pradesh, dessen wechselnde Regierungen sich seit zehn Jahren zur Umstellung auf APCNF bekennen, hat RySS den systematischen Auf- und Ausbau der neuen Anbaumethoden seit 2016 mit einem immer ausgefeilteren Bildungs- und Entwicklungssystem in die Hand genommen, das ganz auf Kleinstbauern und -bäuerinnen zugeschnitten ist und auf deren eigene Überzeugungs- und Innovationskraft setzt. „Die Kunst des Upscaling,“ sagt Kumar, „besteht in der richtigen Mischung aus klaren und einfachen Regeln und genügend Spielraum für die Kraft, den Stolz und den Erfindungsreichtum jeder Einzelnen, aus Vertrauen und Kontrolle, Solidarität und Wissenschaft.“

Dass die APCNF Bewegung in zehn Jahren über eine Million Höfe erfasst hat, ist das Ergebnis minutiöser Planung und des schrittweisen Aufbaus von selbsttragenden und innovativen Strukturen. In den oft verkrusteten Hierarchien der indischen Gesellschaft und Staatsbürokratie keine Selbstverständlichkeit.

Einzelne Bäuerinnen und Bauern werden nicht nur in der Anwendung der landbaulichen Methoden geschult, sondern auch in deren Vermittlung. „Champions“ zeigen auf ihren Feldern wie es funktioniert, dokumentieren genau was getan und was vermieden wurde und was geerntet wird, welche Widrigkeiten auftreten und mit welchen Maßnahmen und Präparaten sie wie effektiv überwunden werden. „Wir wollen nicht einzelne Bauern umstellen, sondern ganze Dörfer und fangen damit bei den kleinen Bauern und bei den Ärmsten der Armen an, die überhaupt kein Land haben,“ erklärt er seine Strategie. „Alles muss sich vom ersten Moment an rechnen, damit es Menschen überzeugt, die keine Reserven haben.“

Die Mehrheit der an APCNF Beteiligen bewirtschaftet ein bis zwei Acre, 4000 bis 8000 Quadratmeter. 10 Acre, gut 4 Hektar, sind bereits stattlich und 50 Acre machen bereits einen Grossbauern aus ihrem Besitzer, der schon einer ganzen Seilschaft von Saisonarbeiter*innen einen kargen Tageslohn um die 200 Rupees bezahlt, etwas mehr als 2 Euro. Die Durchschnittsgröße aller Höfe in Indien ist seit den 1970er Jahren von zwei auf einen Hektar gesunken.

Kleinbäuerliche Ökologie – It‘s the economy, stupid!

Präzise Rezepturen und Anbaupläne, exakte Kosten-, Ernte- und Ertragszahlen und Vergleiche zwischen möglichst direkt benachbarten Natural Farming und Chemical Farming Feldern werden auf großen Bannern direkt vor Ort aufgestellt, einschließlich der Fehlschläge, die auch beim Natural Farming dokumentiert werden.

Die Argumente von APCNF sind schlagend: Kaum schlechtere, häufig bessere Ernten, auf jeden Fall aber eine deutlich höhere Wirtschaftlichkeit für die Landwirte, die keine teuren Inputs einkaufen müssen und neben der jeweiligen Hauptanbaufrucht stets eine Vielfalt zusätzlicher Gemüse, Kräuter, Nüsse, Öl- und Hülsenfrüchte ernten. Den größten Vorteil sehen gerade die Bäuerinnen in der besseren Gesundheit für die ganze Familie durch gute, vielfältige Ernährung und den Verzicht auf Pestizide. Hinzu kommt die durchgängige Verbesserung der Bodenproduktivität durch zusätzliche Ernten und höhere Widerstandsfähigkeit gegen Hitze, Trockenheit, Überschwemmungen und Starkwetter wie die regelmässigen tropischen Cyclone, die Andhra Pardesh von seiner 1000 Kilometer langen Küste heimsuchen. Hinzu kommt die wirtschaftliche Belebung des Dorfes durch lokale Einkommensquellen wie etwa die Herstellung der verschiedenen Präparate und erste Formen genossenschaftlicher Vermarktung der Überschüsse, die nicht der Subsistenz der Gemeinde dienen.

Die Wirtschaft nicht den Männern überlassen

Eine Gruppe indischer Frauen in bunten Saris sitzt auf dem Boden.
Treffen der Frauenselbsthilfegruppe (©RySS – APCNF)

Das starke Rückgrat der Bewegung sind die lokalen Frauen-Selbsthilfegruppen, die als Sparvereine, Kreditgeberinnen und -Bürgen eine wesentliche Rolle bei der wirtschaftlichen Umgestaltung spielen. Denn APCNF beruht auf keinerlei staatlichen Agrar-Subventionen, wie sie in Indien etwa massiv in verbilligten Mineraldünger fließen. Die eigenständige Anschaffung der für die Präparate unverzichtbaren Kuh, der nötigen Grundausrüstung oder der ersten Pacht für Bäuerinnen, die sich selbständig machen, finanziert die örtliche Selbsthilfegruppe. Pünktliche Rückzahlung ist Ehrensache, ebenso wie solidarische Unterstützung in vielen Lebenslagen der patriarchalen Dorfgesellschaft.

Nicht erst seit Angela Merkel ihm 2024 den prestigeträchtigen Gulbekian-Preis for Humanity überreicht wurde, ist Kumar davon überzeugt, dass APCNF weit über Andhra Pradesh hinaus die richtige Lösung für nachhaltige, klimaangepasste und resiliente Landwirtschaft, Armutsbekämpfung und gesunde Ernährung ist.

Mehr als eine geniale Anbaumethode

Ende des Jahres konnte er endlich auch die indische Zentralregierung überzeugen, das Modell in anderen Staaten des Landes zu erproben und zu propagieren. Den Granden der Agraruniversitäten ist seine radikale Infragestellung all ihrer chemiebasierten Paradigmen freilich noch immer ein Gräuel.  Trotz aller internationaler wissenschaftlicher Bestätigung, die der Methode mittlerweile zuteil wurde, gilt sie der alternden Elite der chemischen Landwirtschaft noch immer bestenfalls als eine Betreuungsmaßnahme für Arme. Dabei kann sie neben dem direkten Vorteil für die Kleinbäuerinnen einen unschätzbaren Beitrag zur Lösung der grossen Herausforderungen leisten: Klimaschutz und -anpassung, Bodenerhalt und Wassermanagement, Verzicht auf Vergiftung und Überdüngung, Verbesserung der Gesundheit, Lebensmittelqualität und Mikronährstoffversorgung und nicht zuletzt eine am Gemeinwohl orientierte ländliche Ökonomie, die der Landflucht Einhalt gebieten könnte. Der Glaube an die Vielen und die Kraft der Vielfalt ist weit mehr als eine Anbaumethode.

Weltäcker an Schulen: Neue Bildungsinitiative?

Nach dem Besuch der Weltacker-Delegation und dem Austausch über Natural Farming, globale Landwirtschaft und Bildung treibt die APCNF Bewegung nun den Aufbau mehrerer Weltäcker voran. Diese sollen einerseits an Schulen entstehen und andererseits von erfahrenen „farmer scientists“ angelegt werden. Das Spannende am Natural Farming Weltacker: hier wird es um einen Lebensunterhalt-Weltacker gehen. Wie viel Ackerfläche braucht eine indische Familie, um sich gesund zu ernähren und das nötige Einkommen zu generieren? Wie viel Ackerfläche braucht eine Person im Natural Farming, um sich gesund und nachhaltig zu ernähren? An diesen Fragen wird bald experimentiert.

Die Delegation der Weltäcker steht umringt von vielen indischen Bäuerinnen und Bauern in einem Raum. Alle halten Weltacker-Broschüren in die Luft.
Weltacker-begeisterte farmer scientists
Auf einem gedruckten Banner steht "Hearty Welcome to German Delegates- European 2000 m² Initiative".
Willkommensgruß (©RySS – APCNF)
11.06.2025
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