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Kakao: doch eher bitter!

Grundlegend ist seit langem bekannt, dass der globale Kakaoanbau und -handel mit zahlreichen Problemen behaftet ist.

Das sich verbreitende Umwelt- und Sozialbewusstsein verschwindet aber gerne auf wundersame Weise, wenn wir im Supermarkt vor dem Süßwarenregal stehen und uns nicht entscheiden können, welche Schokoladenvariation es heute sein soll. Die bunten Verpackungen mit ihren Bildchen locken und versprechen uns einen einzigartigen Genuss. Die Probleme der Kakaoindustrie sind damit ganz schnell weit weg. Auch wenn es dabei um Bürgerkriege und Kindersklaven geht.

Kakaoernte: Mit der Machete werden die Bohnen vom Baum geschlagen. Foto: Konafkoop © GEPA

Ein Leben ohne Schokolade können wir uns eigentlich gar nicht vorstellen. Hier und da ein Schokoriegel, ein Schokoladeneis oder Kuchen mit Schokoladenglasur. Weihnachten und Ostern sind auch Feiertage der Schokoladenindustrie. Im letzten Jahr verzehrte jeder Deutsche im Schnitt 9,7 Kilogramm Schokolade pro Jahr. Dieser Konsum hat sich seit 1970 verdoppelt. Folglich verzehren alleine die Europäer die Hälfte der weltweiten Schokolade. Doch wie wächst der Kakao? Und wo kommt der Kakao unserer Schokolade eigentlich her?

Nach Angaben der ICCO (International Cocoa Organization) werden weltweit über 4 Millionen Tonnen Kakao angebaut. Jedes Jahr. Die wichtigsten Anbauregionen finden sich in Westafrika. Allein in der Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) werden jährlich über 1,7 Millionen Tonnen für den Export geerntet. Aber auch die Nachbarländer wie Ghana, Nigeria und Kamerun bedienen unseren steigenden Kakaobedarf. Westafrika ist damit Hotspot des Kakaoanbaus und produziert daher 70 Prozent des weltweiten Kakaos. Der Rest kommt aus den Anbauregionen Südamerikas und Asiens.

Hauptanbauländer für Kakao. Grafik: © INKOTA – Netzwerk

 
Auch wenn Westafrika heutzutage die wichtigste Anbauregion ist, stammt die Pflanze – der Kakaobaum – an dem die Kakaobohnen wachsen, ursprünglich aus der Amazonasregion. Heute ist er weltweit in tropischen Regionen bis zum 20. Grad südlicher und nördlicher Breite zu finden. Denn nur in den Äquatorregionen ist das Klima warm und feucht genug. In anderen Gebieten gäbe es keine Erträge, da der Kakaobaum sehr empfindlich auf Temperaturschwankungen reagiert.

Darüber hinaus benötigt der Baum fruchtbare Böden und viel Schatten. Durch den Schattenbedarf wird Kakao in der Regel in Mischkulturen – zum Beispiel mit Kokos- oder Bananenpalmen – angebaut. Erst mit einem Alter von etwa 6 Jahren blüht der Baum das erste Mal. Es dauert mindestens weitere 6 Jahre, bis der volle Ertrag abfällt. Ständige Pflege, um Krankheiten und Schädlinge zu vermeiden, vorausgesetzt. Somit wird erkennbar, dass der Kakaoanbau im Allgemeinen kompliziert und arbeitsintensiv ist. Die reifen, roten bis grüngelben Kakaofrüchte werden das ganze Jahr über geerntet, wiegen teilweise bis zu 500 g und enthalten die wertvollen Kakaobohnen – Grundlage unserer Schokolade. Es bedarf aber der ganzen Jahresernte eines Kakaobaumes, um gerade einmal ein halbes Kilo Kakao zu produzieren.

Theodor Kouakou erntet Kakao auf seiner Farm. Côte-d`Ivoire. Foto: © Fairtrade International

Nach der Ernte durch die Kakaobauern wird der Kakao getrocknet und von Zwischenhändlern aufgekauft. Für etwa 1 € pro Kilogramm. Exporteure wie SAF-Cacao – größter Exporteur der Welt aus der Elfenbeinküste – kaufen von den Zwischenhändlern, verpacken und verschicken die Bohnen nach Amerika oder Europa. Nun kostet das Kilo bereits etwa 2,5 €. In Europa werden die Bohnen nun gehandelt und von Produzenten – die daraus Kakaopulver oder Kakaobutter herstellen – übernommen. Diese Produkte bilden die Basis für die Schokoladenherstellung. Aus 1 kg Kakao können nun etwa 40 Tafeln Schokolade produziert werden

Von der Bohne zur Schokolade. Grafik: © INKOTA – Netzwerk

Kostenanteile des Rohkakaos in einer Tafel Schokolade. Grafik: © INKOTA-Netzwerk

 Ein Großteil des weltweiten Kakaohandels ist aber in der Hand von großen Unternehmen: Firmen wie Nestlé, Cargill, ADM, Mars, Kraft oder Barry Callebaut. Sie bestimmen die Preise.

„Nur acht Händler und Vermahler von Kakao kontrollieren etwa drei Viertel des Welthandels […]. Die Marktmacht der sechs größten Schokoladenfirmen liegt bei etwa vierzig Prozent. Diese Konzentration schwächt die Position der Bäuerinnen und Bauern weiter, die Marktasymmetrie wirkt sich zugunsten der Käufer und Händler aus“

(Quelle: Kakaobarometer)

So erhalten die meisten der 5,5 Millionen im globalen Süden agierenden Kakaobäuerinnen und -bauern kein existenzsicherndes Einkommen obwohl die Industrie von ihnen direkt abhängig ist. Über 90 Prozent sind sogenannte Kleinbauern, die weniger als 5 Hektar bewirtschaften und somit sehr vulnerabel sind. In der Elfenbeinküste sind es im Schnitt 0,45 Euro pro Tag und pro Familienmitglied. Kinderarbeit ist dementsprechend weit verbreitet, denn Kinderarbeit ist eine direkte Armutsfolge. Die Armut hat sehr viele Gründe, aber bestärkt wurde sie in der Elfenbeinküste durch den Bürgerkrieg zwischen 2002 – 2007, der nach Angaben von Global Witness auch von der Kakaoindustrie mitfinanziert wurde.

„Côte d’Ivoire’s national cocoa institutions, with the assent of the biggest exporters’ union, have directly contributed to the war effort by providing the government with money, vehicles and weapons, using money from cocoa levies. These payments and gifts coincided with a period when some of the worst human rights violations by government forces took place“

(Quelle: Hot Chocholate: How cocoa fuelled the conflict in Côte d’Ivoire – A Report by Global Witness)

 Von Kinderarbeit und Kindersklaven

Laut einer Untersuchung der Tulane University arbeiteten 2013/2014 über 2 Millionen Kinder auf Kakaoplantagen in Ghana und der Elfenbeinküste. In der Elfenbeinküste stieg die Anzahl der Kinder, welche „gefährliche Tätigkeiten“ im Kakaoanbau ausübten, zwischen 2008/09 und 2013/14 um 46 Prozent. Als „gefährliche“ Arbeiten gelten laut dem amerikanischen Arbeitsministerium unter anderem die Brandrodung, das Fällen von Bäumen und das Versprühen von Pestiziden. Durch Kinder. Der Umgang mit Macheten zur Kakaoernte ist alltäglich. Mistrati spricht in seinen Dokumentarfilmen von über 400.000 Kindern, die sich bei solchen Arbeiten allein in der Elfenbeinküste schwer verletzten.

Eigentlich vereinbarten die Schokoladenhersteller mit dem Harkin-Engel Protokoll im Jahre 2001, dass Kinderarbeit und -handel auf den Kakaoplantagen bis 2008 verboten sein sollten. Doch noch 2010 machte Miki Mistrati in seiner viel beachteten Dokumentation „Schmutzige Schokolade“ auf Kinderarbeit und Kindersklaverei aufmerksam. Aus den Nachbarländern wie Burkina Faso oder Mali wurden Kinder verschleppt und zur Arbeit gezwungen – neun Jahre nach dem Inkrafttreten das Harkin-Engel Protokolls. Zwei Jahre nachdem Kinderarbeit der Vergangenheit angehören sollte.
Laut Miki Mistrati schiebt die Schokoladenindustrie die Schuld für die Kinderarbeit auf die Plantagenbesitzer und Zwischenhändler. Die aber wollen von nichts wissen. Von diesen Zwischenhändlern kauft die Industrie den Kakao weiter auf.

Da die Kinderarbeit und der Kinderhandel auch zunehmend von Interpol und der Weltöffentlichkeit beobachtet wurden, begann die Schokoladenindustrie mit großen Werbekampagnen, in denen sie versprachen, nun aktiv gegen Kinderarbeit vorzugehen. Auch Zertifikate wie von UTZ oder die Rainforest Alliance sollten den Verbraucher beruhigen. Doch in seiner zweiten Dokumentation Schmutzige Schokolade II deckte Mistrati auf, dass die Kampagnen – wenn überhaupt – nur unzureichend umgesetzt wurden und auch auf zertifizierten Plantagen Kinder arbeiteten. Noch immer. Für unseren Genuss.

 
Zum Thema Kakaoanbau organisiert das 2000 m² Projekt zwei Veranstaltungen

03.08.2017, Weltacker IGA: „Wie wird Schokolade fair?“ Diskussion mit Nestlé und dem INKOTA-Netzwerk
04.08.2017, TAZ-Café: „Die dunkle Seite der Schokolade“ Diskussionsveranstaltung mit Miki Mistrati und dem INKOTA-Netzwerk.

Weitere Infos zum Thema bietet die Kampagne „Make Chocolate Fair“. Eine Initiative des INKOTA-Netzwerkes.

Infoblatt: “Zertifizierte Schokolade – was steckt hinter den Siegeln?”

Quellen:

Tulane University

Make Chocolate Fair

Global Witness

Cocoa Barometer

Interpol

BBC

Statista