Kaustchukbaum, Hevea brasiliensis

Fläche global: 12,7 Millionen Hektar
Fläche auf dem Weltacker: 16 m² (0,8%)
Herkunftsregion: Amazonasbecken
Hauptanbaugebiete: Indonesien, Thailand, Malaysia
Verwendung / Hauptnutzen: Naturkautschuk, hauptsächlich für Reifen
70 Prozent der Kautschukernte gehen in die Herstellung von Auto-, Fahrrad- und Flugzeugreifen. Die Hälfte aller Autoreifen und sämtliche Flugzeugreifen bestehen aus Naturkautschuk, der dem synthetischen Kautschuk wegen seiner besseren mechanischen Eigenschaften überlegen ist. Die restlichen 30 Prozent kommen in etwa 50.000 Produkten zum Einsatz – vom Gummistiefel, Schlauchboot oder Türstopper, über Luftballons, Radiergummis, Kaugummi oder Kondome bis zu medizinischen Produkten, wie Schutzhandschuhen oder Infusionsschläuchen.
Weißer Saft von gewaltigen Bäumen
Der immergrüne Kautschukbaum mit seinen in Spiralen angeordneten Blättern und unscheinbaren grünlich-gelben Blüten gehört zur Familie der Wolfsmilchgewächse. Er wird bemerkenswerte zwanzig bis vierzig Meter hoch. In Plantagen erreicht er einen Stammdurchmesser von 35 cm. Sein Kernholz ist gelblich, die Borke hellgrau. Im weichen Bast des Stammes verlaufen Röhren, durch die der Milchsaft fließt, der neben Wasser zu 30–40 Prozent aus Kautschuk besteht und auch Latex genannt wird.
Der Kautschukbaum gedeiht am liebsten auf Böden, die überschüssiges Wasser gut ableiten können, d. h. bevorzugt auf Hügeln und an Berghängen. Nach fünf bis sechs Jahren ist er alt genug für die Gewinnung des Milchsafts, der nach Anritzen der Rinde in kleinen Eimern aufgefangen wird. Im Alter von 25 bis 30 Jahren stellt der Baum die Produktion von Latex ein und wird gefällt. Bis dahin liefert er pro Jahr rund 1,5 Kilogramm Naturkautschuk – etwa 800 bis 900 Bäume stehen in der Plantagenwirtschaft auf einem Hektar.
Stellt der Baum die Latex-Produktion ein, wird er gefällt und liefert ein helles Holz, sogenanntes Rubberwood, das zu Möbeln und Spielzeug verarbeitet wird. Dank seiner hohen Härte und seiner Unempfindlichkeit gegen Feuchtigkeitsschwankungen findet es auch beim Bau von Musikinstrumenten Verwendung.
Geschichte des weinenden Holzes
Bereits vor 3.600 Jahren verwendeten indigene Völker in Mexiko und Mittelamerika den Latex von Hevea brasiliensis für Medikamente, Rituale und zum Malen. Der getrocknete Latex wurde zu Schuhen verarbeitet und zu Gummibällen für zeremonielle Spiele.
Im 15. Jahrhundert berichteten portugiesische Eroberer über Latex und dessen Nutzen, beispielsweise zur Herstellung wasserdichter Kleidung durch Beschichtung mit dem dickflüssigen Milchsaft. 1736 schickte der Franzose Charles-Marie de La Condamine während einer Expedition getrockneten Latex nach Europa. Er prägte den Begriff „caoutchouc“, der von dem Quechua-Wort „kwachu“ abgeleitet ist und „weinendes Holz“ bedeutet. Wenig später entdeckte der Brite Joseph Priestley, dass man mit getrocknetem Latex radieren kann. Daher kommt das englische Wort „rubber“. Erst 1839 erfand der US-Amerikaner Charles Goodyear die Technik der Vulkanisation, mittels derer aus Naturkautschuk Gummi entsteht. Mit der Erfindung des Fahrrads 1817, des Automobils 1886 und des Luftreifens 1888 (Dunlop) stieg die Nachfrage nach Gummi schnell an. Brasilianische Gummibarone wie Fitzcarraldo gelangten durch das weiße Gold zu ungeheurem Reichtum.
Nach mehreren missglückten Versuchen gelang es 1876 einem Engländer im Auftrag der britischen Regierung, Kautschukbaumsamen aus Brasilien zu schmuggeln. Die Briten nutzten die Samen, um auf der von ihnen besetzten malaysischen Halbinsel nach verschiedenen Rückschlägen in den 1890er Jahren die ersten Plantagen aufzubauen, die ihre Produkte ab 1905 auf den Weltmarkt brachten. Bald danach übte Großbritannien eine Monopolstellung im weltweiten Kautschukhandel aus. Hevea brasiliensis kam ursprünglich in Asien nicht vor und viele der heute existierenden Kautschukbäume im asiatischen Raum gehen auf die wenigen Exemplare des Engländers zurück. Das führt dazu, dass sich alle genetisch sehr ähnlich sind, weswegen sie anfällig für Krankheiten sind. Aktuell sind auch die brasilianischen Bestände von einem parasitären Pilz bedroht, der die Blattfallkrankheit auslöst.
Aktuell wird Kautschuk zu 94 Prozent im sogenannten Kautschukgürtel (ungefähr 30° nördlicher Breite bis 30° südlicher Breite) mit Schwerpunkt auf Südost-Asien angepflanzt, wobei Thailand und Indonesien die wichtigsten Anbauländer sind, die mehr als 60 Prozent des weltweit gehandelten Naturkautschuks produzieren. Dahinter folgen Malaysia, China, Indien, weiter hinten einige westafrikanischen Staaten. Nur rund zwei Prozent der Weltproduktion stammen aus Südamerika. China und Indien produzieren ausschließlich für den Eigenbedarf. Die Nachfrage nach Naturkautschuk ist bis ins 21. Jahrhundert weiter gestiegen. Lag die weltweite Produktion in den 1960er-Jahre noch bei 2 Millionen Tonnen pro Jahr, überstieg sie Anfang der 1990er-Jahre bereits 6 Millionen Tonnen und erreichte im Jahr 2022 nach FAO mehr als 15 Millionen Tonnen.
Vom Saft zum Gummi
Naturkautschuk ist ein hochmolekularer, ungesättigter sekundärer Pflanzenstoff, der im Milchsaft (Latex) der Milchröhren zahlreicher Pflanzen wie beispielsweise Maniok, Ficus, Lattich, Gänsedistel oder Löwenzahn vorkommt. Vermutlich liegt seine Bedeutung in der Wundheilung der Pflanze.
Der im Milchsaft in emulgierter Form vorliegende Kautschuk wird nach der Ernte mit Hilfe verdünnter Säuren ausgefällt und dann durch erwärmte Pressen geschickt und zu Folien geformt, gelegentlich auch gegen Bakterienbefall geräuchert oder als Schutz gegen Gärung behandelt. Zur Herstellung von Gummi mit hoher Elastizität, Reißfestigkeit und Alterungsbeständigkeit wird der Rohkautschuk vulkanisiert, d.h. durch Erhitzen und Kneten unter Luftsauerstoff wieder in eine plastische Form gebracht, bevor er mit Vulkanisationshilfsmitteln vermengt wird. Diese Mischung wird in Formen gepresst und auf 120 °C erhitzt. Setzt man bei der Vulkanisation Treibmittel zu, entsteht Schaumgummi. Um die riesige Nachfrage zu decken, wird neben Naturkautschuk auch synthetischer Kautschuk hergestellt, der allerdings teurer in der Produktion ist und andere Eigenschaften aufweist.
Naturkautschuk: Nachhaltig oder Klimasünder?
Zwischen 1985 und 2022 hat sich die Anbaufläche für Kautschuk mehr als verdoppelt. Während die Bäume in Indonesien vorwiegend in Agrarwäldern gepflanzt werden, wachsen sie in Thailand und Malaysia überwiegend auf Plantagen. Dafür wurden große Flächen Regenwalds gerodet. Diese Abholzungen haben gravierende Einflüsse auf das Ökosystem. Die Entwaldung setzt große Mengen an Treibhausgasen frei, Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten gehen verloren. Der Anbau in Monokulturen geht zudem mit einemhohenPestizideinsatz einher, welcher negativen Einfluss auf Böden, Gewässer und Artenvielfalt hat. Durch den intensiven Einsatz synthetischer Dünger werden die Böden zunehmend degradiert, der unbedeckte Boden leistet Erosionen Vorschub.
Doch nicht nur die Natur leidet, auch die Menschen – insbesondere die die für das Anlegen großer Plantagen von ihren Ländereien vertrieben werden. Der Kautschuk-Boom führte zur Vergabe von großflächigen Konzessionen für größere Plantagen, wofür Kleinbäuer*innen das Land genommen wurde. Doch auch die Arbeitenden auf den Plantagen sind oftmals unwürdigen Arbeitsbedingungen ausgesetzt, teilweise wird auch Kinderarbeit eingesetzt. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sind zudem von den stark schwankenden Preisen des globalen Marktes abhängig.
Dennoch gilt ein Produkt aus Naturkautschuk vielen als nachhaltig, da es im Gegensatz zu Synthesekautschuk nicht aus Erdöl gewonnen wird. Um sicherzustellen, dass Kautschuk nicht von entwaldeten Flächen stammt und soziale Missstände aufgedeckt werden können, ist daher eine lückenlose Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe entlang der gesamten Lieferkette wichtig.
Findet der Anbau der Bäume in kleinbäuerlicher Produktion in naturnahen Agroforstsystemen statt, können diese vergleichsweise viel Kohlendioxid binden und tragen nicht zur Einengung des Lebensraums von Tieren und Pflanzen bei. Voraussetzung hierfür ist, dass für den Anbau von Kautschuk keine Wälder oder andere natürliche Ökosysteme wie Torfböden oder Savannen zerstört werden. In Agroforstsystemen werden Kautschukbäume mit anderen Baumarten wie Obst- und Holzbäumen kombiniert. Darunter wachsen verschiedene Kulturen wie beispielsweise Kaffee, Kakao oder auch Gemüse. Bäume und Pflanzen spenden sich gegenseitig Schatten und reichern den Boden mit Nährstoffen an. Durch die Diversifizierung können sich Schädlinge nicht so schnell verbreiten, weshalb der Pestizideinsatz deutlich verringert, beziehungsweise ganz darauf verzichtet werden kann. Die Erträge können auch durch nachhaltiges Fachwissen um gesunde Bäume ohne Einsatz von Kunstdünger gesteigert werden. Die Lebenssituation der Bäuer*innen kann durch diese Diversifizierung der Anbausysteme ebenfalls merklich verbessert werden. Sinken die Kautschukpreise, bleiben ihnen noch andere Anbauprodukte, die sie auf dem lokalen oder internationalen Markt verkaufen können.
Quellen
Faszination Regenwald: Kautschuk – das weiße Gold
Spektrum: Kautschuk
Lexikon des Agrarraums: Kautschukbaum
Lexikon des Agrarraums: Naturkautschuk in der Lieferkette